Der häufigste Kündigungsgrund ist laut einer Studie der Outplacement-Beratung von Rundstedt von 2018 fehlender Ausgleich für Überstunden, der zweithäufigste ein schlechtes Arbeitsklima. Dritter Grund ist laut der repräsentativen Talents & Trends Befragung unter 1.020 Teilnehmern andauernder Stress und Leistungsdruck aufgrund von engen Timings und unhaltbaren Deadlines[1]. Alle drei sind wesentliche Zeichen für eine toxische Unternehmenskultur, die Menschen abstößt.

„People don´t leave jobs, they leave toxic work cultures“ sagt Dr. Amina Aitsi-Selmi in einem vielbeachteten LinkedIn-Post[2] und nennt als wesentlichen Faktor für toxische Unternehmenskultur mangelnde „psychologische Sicherheit“ – in Anlehnung an die Ergebnisse einer Google-Studie („Project Aristotle“). Sprich: Mitarbeiter fühlen sich in ihrer Arbeitsumgebung nicht sicher, sich verletzlich zu zeigen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitsergebnisse, sondern auch auf die Gesundheit.

Als Unternehmen merke ich, dass meine Kultur toxische Züge aufweist, wenn ich einen hohen Krankenstand, kurze Verweildauern oder sogar Kündigungswellen beobachte. Ich erkenne es aber auch, wenn wenig direkt angesprochen wird, viel „Politik“ den Arbeitsalltag prägt und Mitarbeiter sich in Ausreden flüchten, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Der einfachste Weg ist es, sich morgens in den Eingangsbereich zu stellen, oder in die Kantine zu gehen und in die Gesichter der Menschen zu schauen. Wenn kaum einer lächelt, wenig gelacht wird, die Menschen schon morgens ausgelaugt wirken, wenn sie in letzter Minute zu Arbeit kommen – dann ist das ein fast untrügliches Zeichen dafür, dass die Kultur nicht so ist, wie sie sein sollte und sein könnte.

Wer eine magnetische Unternehmenskultur schaffen will, der wird zu allererst nach Wegen suchen, den Menschen im Unternehmen die Sicherheit zu geben, dass sie lachen können, sich verletzlich zeigen können und sich wohl fühlen. Eine schlechte Stimmung, ausgelöst durch diese Unsicherheit, kann weder durch gute Bezahlung noch durch eine exzellente Work-Life Balance ausgeglichen werden.

Was sind Kennzeichen einer toxischen Unternehmenskultur? Was können Gründe für „schlechte Stimmung“ sein? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt es drei Gründe:

1. Geringes Vertrauensniveau. Toxische Kulturen sind Angstkulturen. Angst bedeutet mangelndes Vertrauen. Geringe Fehlertoleranz. Politik. Fremdbestimmung. Mobbing.

2. Mangelnde Wertschätzung. Prozesse sind wichtiger als Menschen. Mitarbeiter werden als „Ressourcen“ gesehen, sind austauschbar. Positive Leistung wird erwartet und für selbstverständlich genommen.

3. Finanzieller Erfolg = Unternehmenszweck. Shareholder Value ist das Ziel, „wir sind hier, um Geld zu verdienen“, hört man oft. Wenn der finanzielle Erfolg gleichgesetzt wird mit dem Unternehmenszweck, bleibt die eigentliche Frage nach dem „Warum“ oder „Wozu“ für die Mitarbeiter offen. 

 Ich sprach letzte Woche mit einem Unternehmer, dessen schnell wachsende Firma Softwareentwickler und IT Experten sucht. Auf 30 Stellenausschreibungen erhält er über 1000 Bewerbungen, obwohl er am Standort mit sehr attraktiven und größeren Arbeitgebern in Konkurrenz steht. Seine These: hohe Eigenverantwortlichkeit, keine Hierarchien und starke Sinnkomponente sind ausschlaggebend für diese Attraktivität.

Welche Erfahrungen haben Sie mit toxischen Unternehmenskulturen? Freue mich auf Kommentare!

 Mit herzlichem Gruß

 Christian Conrad

[1] „So verlieren Unternehmen ihre besten Mitarbeiter“, Pressemitteilung vom 26.04.2018 zur „Talents & Trends“ Umfrage der von Rundstedt Gruppe https://newsroom.rundstedt.de/pressemitteilungen/talents-trends-so-verlieren-unternehmen-ihre-besten-mitarbeiter/ aufgerufen am 01.05.2019

[2] „The #1 toxicity factor at work“ by Dr. Amina Aitsi-Selmi https://www.linkedin.com/pulse/1-toxicity-factor-work-aitsi-selmi-ma-md-mrcp-mph-ffph-phd-frsa/ aufgerufen am 01.05.2019