Ein Schlüsselmerkmal magnetischer Unternehmenskulturen ist die Wertschätzung, die Menschen dort erfahren und spüren. Kaum etwas hat einen höheren Effekt auf die intrinsische Motivation. Und dennoch schenken viele Unternehmen und Unternehmer ihren Maschinen ein höheres Maß an Wertschätzung als ihren Mitarbeitern. Wie sieht es bei Ihnen aus? Und sagen Sie nicht vorschnell: „Bei uns ist das ganz anders“, denn es könnte sein, dass Sie sich „in die Tasche lügen“. Ich erkläre Ihnen warum.

Zwei Beobachtungen veranlassen mich zur These, dass Maschinen auch in der Wissensgesellschaft mehr Wertschätzung erfahren als Menschen, und zwar auch in den zahlreichen Unternehmen, die verkünden, dass die Mitarbeiter bei Ihnen Nummer 1 sind.

  1. Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen werden in sehr vielen Unternehmen in der aktuellen Corona-Phase reduziert oder komplett eingestellt. Wenn die Rezession, die durch Corona ausgelöst wird, ähnliche Muster zeigt wie die Finanzkrise 2008-2010, dann wird das die nächsten zwei Jahre so bleiben. Einer der ersten Sparreflexe ist es, in Krisenzeiten die Investitionen in die „Human Resources“ zurückzufahren oder sogar einzustellen.
  2. Bislang habe ich noch nicht von Sparmaßnahmen an der Wartung und Pflege von Maschinen aufgrund der Krise gehört (korrigieren Sie mich gerne, wenn ich falsch liege). Autos werden weiterhin gewartet, Reifen und Bremsen und andere Verschleißteile erneuert. Die Wartungsintervalle von Produktionsmaschinen werden eingehalten.

Worauf lässt sich diese unterschiedliche Behandlung zurückführen? Die Antwort ist so einfach wie überraschend: Betriebswirtschaftlich werden Menschen und Maschinen gänzlich unterschiedlich behandelt. Diese „Behandlung“ stammt aus dem Industriezeitalter und ist ein krasser Anachronismus im Wissenszeitalter. Maschinen sind Investitionsgüter, die über einen bestimmten Zeitraum abgeschrieben werden. Verbucht werden sie in der Bilanz. Die „Human Resources“ eines Unternehmens finden sich dort nicht. Sie sind eine Position in der Gewinn- und Verlustrechnung, sprich: sie werden als Kosten gesehen. Und weil dem so ist und das Wissen, die Fähigkeiten der Mitarbeiter, nicht bilanziert werden gibt es einen buchhalterischen „Anreiz“, ihnen weniger faktische Wertschätzung entgegenzubringen. Es wird häufig über den Begriff „Humankapital“ geschimpft – ich wünschte, Mitarbeiter würden tatsächlich in der betriebswirtschaftlichen Praxis als Humankapital behandelt und nicht als Kosten.

Resultat dieses Paradigmas: Die Erneuerung von Wissen, die Weiterentwicklung von Fähigkeiten, die den Wartungsintervallen von Maschinen entsprechen, werden in Krisenzeiten zurückgefahren, obwohl es gerade die Mitarbeiter sind, die ein Unternehmen durch ihren Einsatz, ihre Ideen und ihre Loyalität wieder aus der Krise herausführen können. Natürlich ist nicht alles schwarz-weiß, natürlich gibt es Kurzarbeit, die verhindert, dass Mitarbeiter vollständig entlassen werden (wie in den USA). Das Kurzarbeitsmodell ist ein Zeichen für Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber. Natürlich gibt es Wissensunternehmen, z.B. in der IT Branche, die ihren Mitarbeitern auch in der COVID-Krise unverändert Fort- und Weiterbildung, Coaching und Training ermöglichen. Das jedoch sind die Ausnahmen, nicht die Regel.

Fragen an Sie als Unternehmer und Entscheider: Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie auch reflexartig den Rotstift gezückt und Investitionen in das „Humankapital“ erstmal gestrichen oder stark gekürzt? Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, ob dieser Reflex mittelfristig betriebswirtschaftlich sinnvoll ist? Welche Auswirkungen (versteckte Kosten) diese Streichung und Reduktion auf die wirtschaftliche Situation, aber auch auf Motivation und Stimmung in der Belegschaft hat? Was können Sie tun, um dem Paradigma der Buchhaltung und des Rechnungswesens entgegenzuwirken?

Wenn Sie eine magnetische Unternehmenskultur entwickeln wollen ist gerade jetzt, in der Krise, der richtige Zeitpunkt dafür, dieses Paradigma zu hinterfragen. Gerade, wenn alle anderen oder zumindest sehr viele, essentielle Investitionen in Menschen und Organisation einsparen haben Sie die Chance, sich auf dem Arbeitsmarkt, aber auch gegenüber Ihren Kunden zu positionieren indem Sie Ihren Mitarbeitern mindestens die gleiche Wertschätzung entgegenbringen wie Ihren Maschinen. Sie können sich so effektiv profilieren und sich damit einen wertvollen Wettbewerbsvorteil erarbeiten.

Wie können Sie diese Wertschätzung konkret zeigen? Drei Ideen dazu:

  1. Ich kenne Unternehmen, die trotz schlecht laufender Geschäfte in der Corona-Zeit am Urlaubsgeld festhalten, als Zeichen der Wertschätzung für die Mitarbeiter, die auch durch die Lockdown Phase hindurch voll mitgezogen haben und diese erste Phase der Krise gut mit-bewältigt haben. Zahlen Sie Boni, auch wenn Sie es nicht unbedingt müssen und signalisieren Sie damit: Du bist uns wichtig. Gerade jetzt.
  2. Überlegen Sie, welche Personal- und Organisationsentwicklungs-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen die Mitarbeiter, die Teams und die Organisation gerade jetzt wirklich brauchen. Wo werden spezifische Führungsfähigkeiten und –qualitäten benötigt, wo ist Bedarf an Input zur Arbeit in „remote“ Teams (die nicht mehr in einem Büro sitzen)? Jetzt ist nicht die Zeit für Fortbildung als „Incentive“ (dafür ist eigentlich sehr selten die Zeit), sondern für bedarfsgerechten Maßnahmen, die betriebswirtschaftlich sinnvoll sind.
  3. Finden Sie heraus, welche Fähigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen jetzt und in der veränderten Nach-Corona Zukunft wahrscheinlich gebraucht werden und investieren Sie zielgerichtet in diese (zukünftigen) Defizitbereiche. Das zeigt der Belegschaft, dass Sie vorausschauend handeln, demonstriert Wertschätzung und hat zusätzlich das Potenzial zu einem Vorteil im Wettbewerb.

Ich bin gespannt darauf, was Sie zu meiner (provokativen) These sagen und freue mich auf eine angeregte Diskussion dazu!

Zum Thema Wertschätzung empfehle ich Ihnen mein heutiges Podcast Interview mit dem Serial-Entrepreneur Nikolaj Armbrust, der ein Unternehmen aufgebaut hat, das in selbstorganisierten Teams arbeitet.

Herzlichen Gruß und eine gute Restwoche

Christian Conrad

P.S.: Wenn Sie mögen, hören Sie in meinen (eben erwähnten) Podcast rein. Wenn er Ihnen gefällt freue ich mich über eine positive Bewertung und natürlich darüber, wenn Sie mir folgen. Und selbstverständlich auch für Ihr positives wie kritisches Feedback. Die nächsten drei Episoden in dieser Woche sollten Sie sich nicht entgehen lassen:

HEUTE DONNERSTAG 6.8. #25 Interview mit Nikolaj Armbrust: Selbstorganisierte Teams – das geht tatsächlich

https://podcasts.apple.com/de/podcast/christian-conrad-der-podcast-f%C3%BCr-magnetische-unternehmenskultur/id1520210824?l=en

https://open.spotify.com/episode/5YQUSgU4cKuJq99s8ehRgp?si=e7zZFPLnTtKmQstzUo7-SQ

MONTAG 10.8. #26 Interview mit Ragnar Heil: Working Out Loud [Link folgt]

MITTWOCH 12.8. #27 Was magnetische Teams ausmacht [Link folgt]

 

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