Auf einer Autofahrt gestern habe ich ein Hörbuch gehört. „Ask Powerful Questions“ von meinen amerikanischen Kollegen Will Wise und Chad Littlefield. Was mich besonders ansprach war das Thema „Neugier“. Chad nannte eine faszinierende Zahl: Vom 2. Bis 5. Lebensjahr stellen Kinder zwischen 40.000 und 438.000 Fragen. Sie wollen die Welt entdecken! Laut einer britischen Studie bedeutet dies, dass das durchschnittliche Elternteil von Kindern in diesem Alter zwischen morgens um 7 bis abends um 8 durchschnittlich alle 2,5 Minuten eine Frage gestellt bekommt. Erwachsene dagegen stellen im Durchschnitt 6-12 Fragen pro Tag. Wo ist nur unsere Neugier geblieben?

Ich erinnere mich an einen Tim-Ferriss-Podcast, in dem der Gastgeber einen Autor historischer Biografien interviewte. Letzterer hatte Bücher über herausragende Denker und Erfinder und deren Leben und Verhalten geschrieben, unter anderem über Leonardo da Vinci. Eine wesentliche Erkenntnis war: ein Haupttreiber für Erfindungen und neue Ideen ist die unbändige Neugier dieser außergewöhnlichen Menschen gewesen. Die Bereitschaft Fragen zu stellen. Erklärungen zu suchen. Den Status Quo zu hinterfragen.

Fakt ist also: Neugier ist wichtig, wenn ich Dinge lernen will. Aber warum behaupte ich, dass Neugier magnetisch macht? Wise und Littlefield stellen Neugier in den Kontext eines Themas, das mich sehr interessiert, nämlich: wie schaffen wir zwischenmenschliche Verbindung mit anderen? Echte, ehrliche Neugier signalisiert Interesse. Wenn Menschen den Eindruck bekommen, dass ich mich für sie interessiere, fühlen sie sich gesehen. Täglich begegne ich vielen Menschen, von denen viele mich neugierig machen, wenn ich mich wirklich für sie interessiere. Selten spreche ich sie an, obwohl ich grundsätzlich kontaktfreudig bin. Was passiert, wenn ich meiner Neugier mehr Raum gebe?  Und beginne offene Fragen zu stellen, die ein echtes, authentisches Interesse vermitteln anstatt nichts zu sagen oder zu fragen und mich in belanglosem Smalltalk zu verlieren?

Um das Ganze etwas zu vereinfachen und praxisnah zu machen schlagen die beiden Autoren vor, etwas zu finden, das die Person trägt (Kleidung, Schmuck etc.), bei sich führt (einen Gegenstand) oder verbal mitteilt, das mich wirklich neugierig macht. Ich stelle dann eine offene Frage. Als Beispiel nennen sie die Begegnung mit einer Frau, die einen großen, auffälligen lila Hut trägt. Ich bin neugierig, was sich hinter dem Hut verbirgt und frage „Ihr Hut macht mich neugierig. Wie reagiert Menschen darauf, wenn Sie ihn tragen?“ Ich überlasse ihr die Wahl, ob sie sich einlässt und öffnet oder nicht, aber ich habe eine Einladung ausgesprochen. Zugleich habe ich mich ehrlich und authentisch gezeigt mit meiner Neugier. Und verletzlich, denn ich habe meine innere Barriere überwunden und den Mut gehabt, meine Neugier auszudrücken. Das ist wie eine ausgestreckte Hand an die Hutträgerin, es bedeutet in Verbindung treten zu wollen. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass sie sich dagegen entscheidet.

Was ich bei mir bemerke: Meine natürliche Neugier, die ich als Kind zweifelsohne hatte, ist zu einem Teil verloren gegangen. Ich laufe durch die Straßen und oft sehe die Menschen nicht, die mir begegnen. Bin ich aber präsent und aufmerksam können spannende Begegnungen das Ergebnis sein. Wie vor einer Weile im Supermarkt: Ich stand am Weinregal und konnte mich nicht entscheiden. Ein Mann und seine Partnerin unterhielten sich auf Englisch und mir fiel sein französischer Akzent auf. Dieser machte mich neugierig. Ich fragte ihn, ob er aus Frankreich käme. Er bejahte und ich fragte weiter, ob er als französischer Weinkenner eine Empfehlung habe. Daraus entspann sich eine sehr interessante Unterhaltung, die mit dem Austausch von Visitenkarten endete. Mehr als Smalltalk – eine Verbindung!

Was können wir, was können Sie, was kann ich tun, um unsere Neugier zu stimulieren und neue und spannende Verbindungen mit möglicherweise wildfremden Menschen oder aber auch Menschen, die wir eigentlich kennen und mit denen wir arbeiten, herzustellen?

Testen Sie die folgenden Tipps:

  1. Beobachten Sie Kinder und wie sie offene Fragen stellen, voller Interesse und Neugier. Und versuchen Sie die Welt aus ihren Augen zu sehen. Was würde mein Sohn/meine Tochter in dieser Situation sehen oder fragen?
  2. Wenn Sie merken, dass Sie selten neugierig sind, stellen Sie sich die folgenden drei Fragen:

a. Was lehrt mich dieser Moment?

Die Frage scheint einfach zu sein, hat aber viel Tiefe und kann nie vollständig beantwortet werden. Sie lädt mich ein offen zu sein, nach Dingen zu suchen, die ich lernen kann, und macht Lust darauf, Neues zu entdecken. Und sie macht mich achtsam für den Moment, lässt mich präsent sein.

b. Was passiert gerade, das mich neugierig macht?

Auch diese Frage kann mir die Augen öffnen, mir helfen aus dem Tunnel rauszukommen, in dem ich mich möglicherweise befinde. Ich schaue hin und entdecke Details in meiner Umgebung, die mir entgangen sind. Nehme Menschen wahr, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte.

c. Wie sieht diese Person die Welt aus Ihrer Sicht?

Ich nehme die Perspektive einer anderen Person an. Ich überlege: Was denkt dieser Mensch dort drüben gerade? Was geht ihm durch den Kopf? Wie nimmt er die Szene, die ich gerade beobachte wahr? Durch welche Filter, welche Erfahrungen, Wünsche, Sehnsüchte sieht er die Welt?

  1. Versuchen Sie Ihre Blockaden für fehlende Neugier zu entdecken. Oftmals ist die wesentliche Blockade Angst. Dann ist die Frage legitim: Wovor habe ich Angst und ist diese Angst begründet oder berechtigt? Was würde passieren, wenn ich der Angst trotze und meiner Neugier dennoch freien Lauf lasse?
  2. Das Serum gegen Angst ist Liebe. Liebe zu mir selbst und Liebe zu den Menschen, denen ich begegne. Neugier, echte, ehrliche Neugier hat eine enge Verbindung zu Liebe. Probieren Sie mal aus, Menschen um Sie herum neu zu sehen, liebevoll und mit frischem Blick. Was fällt Ihnen auf? Vielleicht macht Sie das neugierig. Stellen Sie eine offene Frage. Und schauen Sie, was passiert.

Spannend fand ich in dem Zusammenhang, dass Neurowissenschaftler herausgefunden haben, dass es einen starken positiven Effekt auf unser Gehirn hat, wenn wir unserer Neugier freien Lauf lassen. Neugier stimuliert Gehirnaktivität und löst einen Dopaminausstoß aus. Und: Bei großem Interesse können wir uns leichter an Sachverhalte und Situationen erinnern. Sprich: wenn wir uns an etwas oder jemand erinnern wollen: Neugierig sein.

Zum Abschluss, hier die Begründung der Aussage: Neugier macht magnetisch. Wenn ich ehrlich neugierig bin, Interesse zeige, fühlt sich mein Gegenüber gesehen. Das wiederum führt dazu, dass seine oder ihre Bereitschaft steigt, sich auf mich einzulassen. Die Chance auf eine wie auch immer geartete Beziehung steigt. Daher: Ehrliche Neugier macht magnetisch, weil sie Verbindung schafft.

Wie immer freue ich mich, von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen eine wundervolle Woche mit vielen spannenden Verbindungen und natürlich viel Neugier!

Herzlichen Gruß

Christian Conrad

 

P.S.: Mein Podcast ist online! Bereits hören können Sie Stand heute 11 Folgen:

#11 HEUTE NEU: Interview mit Rudolf X Ruter, Experte für Compliance und Nachhaltigkeit. Wir sprechen unter anderem über das Thema „enkelfähig werden“.

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